Geistliche Impulse


Fastenzeit 2013

Jesus war im Bild

Viele Menschen haben ihre klaren Vorstellungen darüber, was im Rahmen ist und wer aus dem Rahmen fällt. Die Richtlinien, was sein kann und darf, werden unter anderem bestimmt von religiösen und gesellschaftlichen Ansichten.
So ein Rahmen ist notwendig, weil er natürliche Grenzen aufzeigt und den Menschen gewährt, sich in sicherem Rahmen zu bewegen.
Die Religiösen zur Zeit Jesu waren sich sicher darüber, wer nicht in das Bild passt: Sünder.
Als Sünder galten alle, die sich nicht streng an das Gesetz hielten. Wer es war, der sich nicht an das Gesetz hielt, war offensichtlich. Zudem sah man Krankheiten als von Gott gegebene Strafe für Sünder. Diese hatten keinen Platz mehr im öffentlichen Leben, galten als Bedrohung. Sie zur Seite zu schieben, war ein Schutz, um das Heilige rein zu halten.

Jesus hingegen mag anderer Meinung gewesen sein. Gemeinschaft mit Gott und den Menschen zu haben, war sein oberstes Ziel. Menschen, die nicht dem Ideal entsprachen, auszugrenzen oder gar zur Seite zu schieben, das konnte in seinen Augen wohl keine Lösung des Problems sein. Zwar sprach er an, was Sünde ist, und konnte schuldhaftes Verhalten niemals gutheißen, doch hieß er den Menschen gut. Jesus versuchte, die Menschen, die sich von der Gemeinschaft durch ihr schuldhaftes Verhalten entfernt hatten, wieder zur Gemeinschaft zurückzuführen. Isolation kann nicht im Sinne Gottes sein. Dass er sich mit Sündern abgab, das sprengte den Rahmen aller religiösen Vorstellungen. Durch Jesus kam etwas in Bewegung. Er brach Konventionen, indem er den Menschen in die Mitte stellte – über das Gesetz.


Die Sünde nicht gut zu heißen, den sündigen Menschen aber zu lieben – das ist wahres christliches Verhalten. In Christus finden Mensch und Gott wieder zueinander. Einen Menschen nicht an den Rand zu drängen, ihn nicht auszugrenzen, wenn er unseren Erwartungen nicht entspricht, das hat etwas zu tun mit Liebe. Liebe bedeutet nicht, zu allem Ja und Amen zu sagen. Liebe bedeutet, Verhärtungen aufzubrechen, Distanzen zu überwinden, immer und immer wieder die Gemeinschaft zu suchen, auch wenn es Kraft kostet. Manches Mal wäre es leichter, einen Menschen abzuschreiben, als immer wieder um ihn zu werben. Es wäre auch leichter, gemeinsam mit andren einen Menschen zur Seite zu schieben, anstatt sich rechtfertigen zu müssen, wieso man sich abgibt mit einem, den alle abgeschrieben haben. Liebe hingegen ist ein Kraftakt. Wer liebt, der leidet auch. Jesus war im Bild, als er liebte. Er hieß nicht naiv alles gut. Er wusste auch, dass Liebe Lebenshingabe bedeutet. Wie sehr haben wir diese Liebe nötig – ob als jene, die einem Menschen, der als abgeschrieben gilt, begegnen, oder also solche, denen kein Platz zugestanden wird. Jesus lebte und starb dafür – für uns, die wir alle der Liebe bedürfen.


 Text und Bild: Josef Schießl