Geistliche Impulse


Weihnachten 2015

Wer hat schon einmal einen Engel gesehen?
Über diese Frage kann es sehr leicht zu einem Streit kommen.
Die einen sagen: „Ganz klar, schon oft haben wir Engel gesehen. Sogar bei uns zu Hause.“
Die anderen sagen: „Engel kann man nicht sehen. Engel sind unsichtbar.“
„Engel“, sagen die einen, „hängen bei uns am Christbaum, sind im Schaufenster, gibt es als Anstecker“.
„Solche Engel haben wir nicht gemeint“, sagen die anderen, „wir meinen echte Engel.“


Vielleicht kann Ihnen die Geschichte „Aus dem Tagebuch eines Weihnachtsengels“ von Susanne Niemeyer den Weg weisen.


24. Dezember. Mitternacht. Ich frage mich ernsthaft, ob ich überhaupt gemacht bin für diesen Beruf. Ich könnte mir im neuen Jahr etwas anderes suchen. Vielleicht werde ich Briefträger. Ich hatte beschlossen, in die Kirche zu gehen. Zur Feier des Tages zog ich meine Festtagssachen an. Weißes Kleid, Federflügel, das volle Programm. Um drei Uhr kam ich nicht mehr hinein in die Kirche. Die Dame am Eingang sage mitleidig, da hätte ich schon vor einer Stunde da sein müssen. Ich erfuhr, dass es noch drei weitere Gottesdienste gäbe. Um 16 Uhr kam ich dann auch hinein. Ich stellte mich vorn neben den Weihnachtsbaum und rief. „Fürchtet euch nicht!“ Weiter kam ich nicht. Ein Mann im dunklen Anzug zog mich zur Seite und raunte, ich wäre noch nicht dran. Um 18 Uhr war es ruhiger. Voller Hoffnung wollte ich meine Botschaft unter die Menschen bringen. Ich stellte mich auf die oberste Stufe und wollte gerade ansetzen, da kam mir der Posaunenchor zuvor. Meine Worte verklangen unter „Oh, du Fröhliche!“ Um 23 Uhr war ich erschöpft. Dennoch trat ich vor und rief: „Euch ist heute der Heiland geboren!“ Der Vorsteher des Gottesdienstes zischte, dass wir doch abgesprochen hätten, eine moderne Übersetzung zu benutzen. Ich wusste nicht, was er meinte, und gab auf.
Draußen setzte ich mich auf die Stufen der Kirche. Die klare Luft tat mir gut. Dann läuteten die Glocken und die Menschen strömten hinaus. Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter. „Bist du ein Engel?“, fragte eine alte Dame. Sie trug einen gestreiften Pyjama unter ihrem Mantel, was ich sonderbar fand. Ich nickte. Sie strahlte. „Na, dann schau doch nicht so traurig. Ist doch Weihnachten!“ Schnell zog sie ein Mann beiseite und entschuldigte sich. Seine Mutter sei etwas wirr. Wirr? Vielleicht. Aber sie hatte mich erkannt.


Liebe Gemeinde,

Engel haben viele Gesichter. Vielleicht können auch wir in diesen Tagen zu einem Engel für andere werden. Ich wünsche uns offene Augen und Ohren, dass wir die Engel um uns herum erkennen und ihre Botschaft hören:

„Fürchtet euch nicht,
euch ist heute der Heiland geboren,
Christus der Herr!“

Ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest wünscht Ihnen Ihre Gemeindereferentin
Edeltraud Herrmann


Text: Edeltraud Herrmann, Susanne Niemeyer; Bild: Edeltraud Herrmann;