Geistliche Impulse


Allerheiligen  2018

Romano Guardini (1885-1968)
Theologe, Religionsphilosoph und Jugendseelsorger


Er hat die Kirche im 20. Jahrhundert geprägt wie kaum einer:
Romano Guardini setzte als Theologe, Philosoph und Liturgiereformer und
mit seinen Büchern wichtige Impulse, die bis heute nachwirken.
Am 1. Oktober jährte sich sein Todestag zum 50. Mal. Bis ins hohe Alter zog Romano Guardini, Professor für Religionsphilosophie und christliche Weltanschauung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München,
bei Vorträgen und Predigten sein Publikum mit seinen eindringlichen
und beseelten Worten in den Bann. Denn Guardini (1885-1968) war weit mehr als ein brillanter katholischer Theologe. Er war ein Universalgelehrter, Philosoph und Seelsorger, der sich nicht nur für die Werke von Rainer Maria Rilke und Hugo von Hofmannsthal oder Friedrich Nietzsche interessierte.
Er formulierte Sätze, die damals wie heute viele Tausend Menschen mit ihrer Klarheit und Aktualität beeindrucken.
   
  


Mit Umwegen zur Berufung

Als ältester Sohn italienischer Eltern wurde Romano Guardini am 17. Februar 1885 in Verona geboren. Bereits ein Jahr später siedelte die Familie nach Mainz über, wo Guardini sein Abitur machte.
Danach war Guardini zunächst orientierungslos, studierte ein paar Semester Chemie, dann Nationalökonomie, bevor er schließlich seine wahre Berufung in der Theologie fand. Er studierte in Freiburg und Tübingen und trat dann in Mainz ins Priesterseminar ein.

Interessen weit über die Theologie hinaus

Romano Guardini war ein untypischer Priesteramtskandidat. Schon damals ging sein Interesse weit über religiöse oder theologische Schriften hinaus. Neben zeitgenössischer Literatur beschäftigte er sich mit Kunst und Wissenschaft, besuchte Kulturveranstaltungen, ging ins Kino oder in Kunstausstellungen. Er begab sich in die aktuellen Zeitströmungen, denn für ihn war die christliche Wahrheit nichts Abstraktes, nichts Weltfernes, sondern immer verbunden mit dem alltäglichen Leben.
Diese Auseinandersetzung mit religionsfernen Themen sollte später zu einem Markenzeichen des Denkens von Romano Guardini werden. Es führte jedoch im Mainzer Priesterseminar dazu, dass Guardini des Öfteren bei seinen Ausbildern und Vorgesetzten aneckte.

Zeit des Umbruchs

Nach dem Ersten Weltkrieg beteiligte sich Guardini an der Gründung der Zeitschrift "Die Schildgenossen". Dabei ging es ihm nicht um politisches Engagement, es ging ihm vielmehr um eine kulturell-religiöse Erneuerung, eine Stärkung des moralischen Gewissens, das im Ersten Weltkrieg vollkommen auf der Strecke geblieben war.
Ab 1923 war Romano Guardini Professor für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung an der Universität Berlin, ab 1927 zudem Leiter des christlichen Bildungshauses Burg Rothenfels im Spessart. In dieser Zeit schrieb er viel und experimentierte mit neuen Gottesdienstformen wie der Osternacht. Damit nahm er um Jahrzehnte die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) vorweg, deren Wegbereiter er dadurch wurde.

Konflikte mit der NS-Regierung

Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, geriet Guardini zunehmend unter Druck. Zum einen veröffentlichte er mehrere Texte, die dem Versuch der Nationalsozialisten, eine völkische und systemtreue Kirche zu etablieren, entgegenstanden. So wie sein Werk "Der Herr" von 1937, in dem Guardini beschrieb, wie Jesus ohne seine Verwurzelung im Judentum nicht zu verstehen sei.
Zudem weigerte er sich, die Bildungsstätte Burg Rothenfels der Gleichschaltungspolitik der Nazis zu unterwerfen. Die Folge: 1939 verlor Guardini seinen Lehrstuhl und Burg Rothenfels wurde konfisziert. 1943 zog er sich bis Kriegsende aufs Land zurück, zu einem befreundeten Pfarrer.

Produktive Jahre in München

Nach dem Krieg war Guardini bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1962 Professor für katholische Weltanschauung und Religionsphilosophie an der Universität München. Obwohl er bei seiner Berufung nach München 1948 bereits über Sechzig war, begann eine der produktivsten Phasen in Guardinis Leben, begleitet von internationalen Preisen und Auszeichnungen. So erhielt er beispielsweise 1952 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 1962 den Erasmuspreis, der herausragende Beiträge im kulturellen, sozialen oder sozialwissenschaftlichen Bereich würdigt.
Als Guardini 1968 in München starb, hinterließ er ein umfangreiches Werk, das bis heute nicht vollständig gesichtet und herausgegeben wurde und in der Katholischen Akademie in München verwaltet wird, an deren Gründung er 1957 mitgewirkt hatte.

Seligsprechungsverfahren

Seit Dezember 2017 läuft das Seligsprechungsverfahren für Romano Guardini, das von Papst Franziskus unterstützt wird. Er selbst wollte in den 1980er Jahren eine Doktorarbeit über Guardini anfertigen und zitiert ihn immer wieder in seinen Schriften. Der Religionsphilosoph Eugen Biser beschrieb Guardini einmal als "sanften Revolutionär religiösen Denkens".
Was bleibt ist das Werk eines katholischen Intellektuellen, der nie dogmatisch war und heute als einer der scharfsinnigsten und einflussreichsten Theologen des 20. Jahrhunderts gilt. Ein wacher und kritischer Geist, der Religion, Kunst und Wissenschaft immer zusammen dachte. Und der sich immer der Moderne stellte, ihr oft sogar in seinen Schriften vorweg griff.

Gebet um die Seligsprechung

Herr Jesus Christus,

Du hast Deinen Diener Romano Guardini zu einem leuchtenden Lehrer und Erzieher der jungen Generation berufen und sie dadurch für die Kirche gewonnen.

Du hast ihn mit klarem Denken und treffender Sprache begabt, um Deine Wahrheit Vielen zu verdeutlichen.

Du hast seinen geraden Weg in schwierigsten Zeiten gestützt, so dass er zum Vorbild für Unzählige wurde, auch für den christlichen Widerstand im totalitären Staat.

Du hast ihn im Kampf mit der Schwermut und mancherlei Leiden gestärkt.

Du hast ihn mit der Gabe der Freundestreue ausgezeichnet.

Du hast sein Wirken als Priester und Prediger, auch für viele Außenstehende, mit spürbarem Segen verbunden.

Wir bitten Dich:
Schenke ihn uns zur Verehrung,

damit die Menschen von heute die Heiligkeit Deiner Kirche erkennen,

damit sich auch die junge Generation für Dich entflammt,

damit Menschen in seelischen und leiblichen Leiden durch sein Beispiel aufgerichtet werden,

damit die Heiligkeit Gottes neu wahrgenommen wird.

Ehre sei dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, jetzt und immer und in Ewigkeit. Amen


 Text: Montage von Christina Fuchs (Sendung BR 24 vom 4.10. 2018);
          Gebet um die Seligsprechung, hg., Erzbischöfliches Ordinariat München, Stabsstelle Kommunikation;

  Bild: Katholische Akademie in Bayern;